Der bevorstehende Schritt der US-Regierung, Zölle auf mehr als 2,5 Millionen Importprodukte anzugleichen, stellt einen massiven Eingriff in das bisher geltende internationale Handelsgefüge dar. Ziel ist es, reziproke Bedingungen herzustellen: Wenn beispielsweise Thailand auf US-Importe 20 % Zoll erhebt, sollen künftig US-Zölle auf thailändische Produkte dasselbe Niveau erreichen. Ein gerechtes Prinzip – zumindest auf dem Papier.
Doch was bedeutet das in der Praxis für die globalen Handels- und Finanzmärkte?
Asien: Vom privilegierten Wachstumspfad zur Unsicherheitszone
Viele asiatische Staaten profitieren seit Jahrzehnten von einem inoffiziellen „Zollprivileg“. Die Industrieländer – allen voran die USA – akzeptierten zum Teil deutlich höhere Zölle ihrer Handelspartner, um deren wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Dies entsprach dem Geist der globalen Arbeitsteilung und unterstützte das wirtschaftliche Aufholen der Emerging Markets.
Nun allerdings wird diese Praxis in Frage gestellt. Die Gleichstellung der Zollsätze bedeutet in vielen Fällen eine faktische Erhöhung der Importzölle für asiatische Produkte in den USA – mit spürbaren Folgen:
- Exportorientierte Unternehmen in Ländern wie Vietnam, Thailand oder Indien könnten Marktanteile verlieren.
- Investitionsentscheidungen geraten ins Stocken – Unsicherheit ist Gift für Kapitalzuflüsse.
- Konsumentenverhalten könnte sich ändern: Ressentiments gegenüber den USA könnten sich in einem Boykottverhalten äußern – von Produkten bis hin zu touristischen Zielen.
Erste Anzeichen sind bereits sichtbar. Kanadier stornieren rund 20 % ihrer USA-Reisen, während US-Amerikaner weiterhin rege nach Kanada reisen – ein kleiner, aber symbolischer Trend.
China: Ruhe bewahren, Binnenmarkt stärken
Während Europa und Kanada zum Widerstand gegen die neue US-Handelsdoktrin neigen, zeigt sich China überraschend gelassen. Statt in eine Eskalationsspirale einzusteigen, richtet die Volksrepublik den Fokus verstärkt auf ihren Binnenmarkt. Dieser ist zwar von strukturellen Schwächen wie einer kriselnden Immobilienwirtschaft und schwachem Arbeitsmarkt für junge Menschen geprägt, birgt aber noch erhebliche Wachstumspotenziale.
Zudem ist China geopolitisch klug positioniert: Solange sich der wirtschaftliche Druck der USA nicht unmittelbar auf zentrale chinesische Interessen auswirkt, wird Zurückhaltung geübt. Strategisch verfolgt man dabei eine langfristige Perspektive – mit dem Wissen, dass politische Konstellationen in den USA flüchtig sind. Xi Jinping dagegen bleibt.
Gleichzeitig gewinnt China an Attraktivität für internationales Anlagekapital: Technologiekonzerne wie Alibaba konnten in diesem Jahr massive Kursgewinne erzielen, während westliche Tech-Werte unter Druck geraten sind. Der Vergleich mit den „Magnificent 7“ aus den USA zeigt: Die Wachstumsdynamik verlagert sich.