Der US-Dollar befindet sich möglicherweise an einem Wendepunkt – aber ist es wirklich schon Zeit, eine nachhaltige Schwäche zu erwarten? Die jüngsten Bewegungen an den Devisenmärkten deuten darauf hin, dass sich die Kräfte hinter den Wechselkursverhältnissen verschieben könnten. Doch die Ursachen hierfür sind keineswegs direkt in den Zinsentwicklungen zu finden. Vielmehr sind es die Kapitalströme, die die fundamentale Basis für die jüngste Entwicklung im Verhältnis von EUR/USD geschaffen haben.

Entwicklung des USD in den letzten Monaten

Mitte Januar 2025 erreichte der USD ein Niveau von 1,0275 EUR/USD. Zu diesem Zeitpunkt deuteten zahlreiche Marktindikatoren darauf hin, dass ein Rückgang auf 1,05 EUR/USD zu erwarten sei. Genau dieser Rückgang trat dann auch ein – der USD fiel auf 1,05, erholte sich kurzfristig auf 1,04, bevor er schließlich mit hoher Dynamik den Widerstand bei 1,0525 durchbrach. Dieser Durchbruch war insbesondere auf die Schließung von Short-Positionen zurückzuführen, die für zusätzlichen Verkaufsdruck sorgten. Aktuell liegt der USD etwas über 1,08 für einen Euro.

Interessant ist jedoch, dass diese Bewegung nicht auf eine grundlegende Veränderung im Zinsumfeld zurückzuführen war:

  • Die Zinsen in der Eurozone befanden sich klar im Abwärtstrend.
  • In den USA hingegen wurde nur noch eine geringe oder gar keine weitere Zinssenkung für 2025 erwartet.

Wenn also nicht die Zinsen die Wechselkursbewegungen verursacht haben – was dann?

Kapitalströme als Treiber von Wechselkursveränderungen

Es sind die Kapitalströme, die die strukturellen Veränderungen an den Devisenmärkten bewirken – nicht die Zinsen. Bereits in den letzten beiden Ausgaben des vergangenen Jahres und den ersten Berichten dieses Jahres habe ich darauf hingewiesen, dass die immensen amerikanischen Fiskaldefizite der letzten 15 Jahre die Grundlage für den konsumgetriebenen Börsenaufschwung in den USA gelegt haben.

Der Aufschwung der US-Börsen zog riesige Kapitalströme aus dem Ausland an:
✅ Der durchschnittliche amerikanische Investor hatte bis vor wenigen Jahren nur etwa 44% seiner liquiden Vermögenswerte in Aktien investiert – heute sind es satte 70%.
✅ Die USA erreichten bis Februar 2025 73% der globalen Börsenkapitalisierung– ein beispielloser Wert im historischen Vergleich.

Doch diese Kapitalströme beginnen sich nun zu verlagern – und genau hier liegt der Ursprung der aktuellen und künftigen Wechselkursveränderungen.

Wandel an den Börsen – Kapitalflucht aus den USA?

Seit Jahresbeginn 2025 hat sich ein Paradigmenwechsel abgezeichnet:

  • Die europäischen Börsen begannen, sich von den amerikanischen Assets abzusetzen.
  • Während der Nasdaq im letzten Monat 10% verloren hat, konnte der DAX weitere 3% zulegen – nachdem er bereits seit Jahresbeginn bis Ende Februar um 11% gestiegen war.

Zwei entscheidende Faktoren haben diese Entwicklung ausgelöst:

  1. Politische Unsicherheit unter der neuen Trump-Regierung – Die Regierung Trump hat mit ihrer protektionistischen Handelspolitik und regulatorischen Eingriffen für Verunsicherung an den Märkten gesorgt.
  2. Relative Bewertungsvorteile der europäischen Märkte – Während die US-Börsen weiterhin hoch bewertet sind, bieten die europäischen Märkte weiterhin günstige Einstiegsmöglichkeiten („Value-Assets“).

Die Folge war eine zunehmende Kapitalumschichtung aus den USA in europäische Märkte – und diese Kapitalbewegungen sind es, die die jüngste Stärke des Euro erklären.

Warum der USD dennoch nicht dauerhaft schwach bleiben könnte

Trotz der aktuellen Schwächephase des USD gibt es mehrere Gründe, warum eine nachhaltige Abwertung möglicherweise ausbleibt:
🔹 Die USA bleiben wirtschaftlich weiterhin resilient – insbesondere aufgrund des stabilen Konsums und der weiterhin hohen Profitabilität im Technologiesektor.
🔹 Die geopolitische Lage – insbesondere in Bezug auf die Ukraine und China – könnte erneut eine Flucht in den USD als sicheren Hafen auslösen.

Fazit: Kapitalflüsse bestimmen den Wechselkurs – nicht die Zinsen

Die jüngste Schwäche des USD ist weniger ein Zeichen struktureller Schwäche der US-Wirtschaft als vielmehr das Ergebnis einer Neubewertung von Kapitalströmen. Die relative Unterbewertung der europäischen Märkte, gepaart mit einer zunehmenden politischen Unsicherheit in den USA, hat zu einer Kapitalflucht aus US-Aktien geführt – und diese hat den EUR/USD-Kurs nach oben getrieben.

Eine nachhaltige Schwäche des USD bleibt dennoch fraglich, solange die Zinsdifferenz bestehen bleibt und die US-Wirtschaft ihre strukturelle Stärke nicht verliert. Die Dynamik der Kapitalströme wird daher entscheidend dafür sein, ob der EUR/USD-Kurs seinen Aufwärtstrend fortsetzen kann – oder ob die Stärke des USD in der zweiten Jahreshälfte zurückkehrt.

Mit dem Zeitpunkt des Abverkaufs des NASDAQ (oben gelb) begannen Euro und JPY zum USD zu steigen, jeweils um knapp 5%. Zu einem Zeitpunkt, als die US-Zinsen für den USD „positiv“ waren im Vergleich zu den Erwartungen für die Euro-Zinsen. Zinsen können zufällig auch USD-Stärke indizieren, oder auch nicht, Kapitalströme geben den Weg IMMER richtig an.

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